Unvergessen

„Du kannst Dein Leben nicht verlängern, nur vertiefen.
Nicht dem Leben mehr Tage, aber den Tagen mehr Leben geben.
Zähle das Leben nicht nach Jahren, zähle die Stunden, in denen ein Engel Dich berührte.“

(Adlai E. Stevenson)

Unvergessen – das sind für uns die Tiere, deren Lebensweg bei und mit uns endete. Alt, krank, geschwächt, gehandicapt – oder so manches Mal auch all das zusammen – fanden diese Tiere den Weg zu uns, oft nur mit viel Glück und auf einigen Umwegen. Hinter den Meisten von ihnen lag zu diesem Zeitpunkt ein langes und sehr anstrengendes Leben, geprägt von Leid und Entbehrung, aber auch von Trauer, Angst und Einsamkeit.

Uns begegnete aber auch die andere Seite des Lebens, wenn auch sehr viel seltener. Es kamen auch Tiere zum Eifelhof, die, in hohem Alter, nach einem geliebten und gut behüteten Leben, den Menschen an ihrer Seite verloren, weil das Schicksal es so wollte. So unterschiedlich auch die Lebenswege all dieser Tiere waren, so sehr einte sie bei uns doch zunächst das gleiche Gefühl der Verlassenheit. Genau das aber noch einmal – oder auch zum ersten Mal – wenden zu können, war und ist unser Antrieb in der Betreuung der Tiere, für die wir zur letzten Station ihres Lebensweges werden. Wir wollen ihnen dabei der so schmerzlich vermisste Freund und Beschützer sein, an dessen Seite sie Liebe, Vertrauen und Geborgenheit erfahren dürfen. Dabei ist es nicht wichtig, ob diese Tiere zum ersten Mal in ihrem Leben uneingeschränkt angenommen und willkommen geheißen werden oder ob wir ihnen dieses Gefühl „nur” ein Stück weit zurückbringen. Einzig wesentlich ist, dass sie es fühlen können und in dem Bewusstsein des Geliebtseins den beschwerlichsten letzten Abschnitt ihres Lebensweges nicht alleine gehen müssen.

Unweigerlich berühren diese Tiere und der Weg mit ihnen unser Herz. Wir erleben Trauer und Freude zugleich und erfahren immer wieder neu, dass diese Beiden manchmal wohl ebenso zusammengehören, wie das Leben und das Sterben. Es ist die Tragik der Ungerechtigkeit des Lebens, der diese Tiere einen Namen geben, die uns traurig macht, doch können wir uns gleichzeitig auch nicht der außergewöhnlichen Freude verschließen, die alleine in und durch die Begleitung dieser besonderen Tiere entsteht. So konnten wir mit Tränen in den Augen dennoch auch immer wieder mit unseren Tieren viele unbeschwerte, gemeinsame Momente teilen. Fasziniert von ihrer unvergleichlichen Anziehungskraft, hat jedes dieser Tiere uns auf seine ganz eigene Weise immer wieder neu das Geheimnis vom wahren Lebensglück gezeigt: Im Hier und Jetzt zu Hause sein – Wer sollte das besser leben und lehren können, als ein Tier, dem ein fester Rahmen, der nach unserem Verständnis als „Zuhause” definiert werden würde, fehlt, weil es niemanden fand oder denjenigen verlor, der es ihm gab?

Ohne Verbitterung, aber mit Demut und Würde dennoch das kleine Glück im Augenblick zu finden, ist das unvergleichliche Meisterwerk dieser besonderen Tiere, das uns Respekt und uneingeschränkte Wertschätzung abverlangt, die unsere besondere Zuneigung zu diesen Tieren immer wieder tief prägt. So haben wir jeden unausweichlichen Abschied in diesem Bewusstsein und mit dem Wissen um die Liebe, die wir schenken konnten, als ein unbezahlbares Geschenk ansehen können, in dessen Unvergänglichkeit wir auch immer Trost fanden.

Genau dieses Stück Ewigkeit ist es, was wir uns für die Tiere wünschen, die im Leben vergessen, zumindest im Sterben den Platz finden sollen, der den Meisten von ihnen zeitlebens versagt geblieben war. Denn dort, wo wir von ihnen erzählen, haben sie diesen doch noch finden können und so bleiben diese Tiere immer ein Stück weit bei uns. Wir erzählen ihre Geschichten zudem in der Hoffnung, die Herzen der Menschen weiter für die Vergessenen öffnen zu können. Dabei betrachten wir beide Seiten, die untrennbar zusammengehören. Die Geschichten unserer Tiere erzählen nicht nur vom Sterben, sondern auch und ganz besonders vom Leben. Denn könnten diese Tiere sich etwas wünschen, wir sind sicher, sie würden uns bitten, ihnen eine Stimme zu geben, die ihre Botschaft weiterträgt.

Der Wert eines Lebens hängt nicht von dessen Alter oder Unversehrtheit ab, denn jedes Leben hat (s)einen Platz verdient und jedes Leben hat ein Recht darauf, geliebt zu werden, in seiner ganzen Unvollkommenheit, aber auch in seiner ganzen Einzigartigkeit. Kein Tier sollte sein Leben in einem Tierheim beschließen müssen.

Allen Tieren, die zu uns kamen und blieben, widmen wir diese Seite. Gab es für sie in dieser Welt auch nicht mehr diesen einen ganz besonderen Ort, waren sie dennoch nicht mehr alleine, weil sie ihren Platz in unseren Herzen fanden. Sie alle sind dort zu Hause und werden dabei immer unvergessen sein.